Immer wieder wird die ehrenamtliche Tätigkeit vieler Bürger hoch gelobt – vor allem von Politikern und auch oft von der Wirtschaft. Sömmerda ist eine Stadt, in der jeder jeden kennt, zumindest wenn man sich aktiv in die Gemeinschaft einbringt. Die Zeit, die ihre Ehrenamtlichen für die Gemeinschaft opfern, ist ein hohes Gut. Doch was ist es wirklich wert, wenn es konkret wird? Wenn es um Unterstützung ehrenamtlicher Tätigkeit geht? Wenn es um ein (Ehren-)Wort geht (ein Mann – ein Wort)?
Ein Fallbericht aus der aktuellen Praxis:
Der Kanu-Club Sömmerda e.V. ist sicher den meisten in der Region ein Begriff. Er unterhält sein Bootshaus, das Vereinsgelände und den traditionsreichen Kanukanal. Seit vielen Jahren richten wir regionale und nationale Wettkämpfe aus und veranstalten jeden September mit dem Sömmerda Rafting ein Highlight der Region. Sömmerda hat hierdurch unter den Sportlern und den Gästen aus ganz Deutschland einen guten Ruf erworben. Mit ihnen werden fast nebenbei viele Übernachtungsgäste in die Stadt gebracht, von denen die lokale Wirtschaft profitiert (Pensionen, Bäcker, Fleischer, Gaststätten, etc.).
Die Hauptaufgabe des Vereins besteht aber darin, Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen aller Altersstufen die Ausübung des Kanusports zu ermöglichen, in dem über Schnupperpaddeln und regelmäßiges Training sowie Sportleraustausch und Trainingslager gerade den jüngeren Altersgruppen neben dem Sport die soziale und gesellschaftliche Bedeutung und Verantwortung in einer Gruppe nahe gebracht wird. Alles hängt jedoch letztlich daran, dass die Kanustrecke am Bootshaus mit seinem bewegten Wasser im Kanal nutzbar ist. Die Unstrut selbst kann die Bedürfnisse der Kanusportler nur ergänzen. Ist der Kanal nicht nutzbar, können die sportlichen Aktivitäten nicht aufrechterhalten werden, geht es dem Verein an die personelle und finanzielle Substanz.
Da würde man doch meinen, dass diese von allen ehrenamtlich ausgeführte Tätigkeit – wie immer wieder groß bekundet – auch wirklich anerkannt wird.
Doch gerade mussten wir wieder einmal erfahren, wie wenig solche Worte in der Realität wert sind.
Seit November 2018 ist dem Verein das Wasser vor dem Bootshaus und im Kanal abgestellt. Aufgrund des Einbaus einer effizienteren Turbine an der Dreyse-Mühle ist eine komplette Trockenlegung der Baustelle erforderlich, erreicht durch eine Schließung der oberen Schleuse.
Nach der grundlegenden Sanierung der Mühle, dem Einbau eines neuen Mühlrades, dem Bau der Fischtreppe, dem Neubau der Riedtorbrücke und dem Neubau der Schleuse, ist das nun schon das 6te mal in 7 Jahren!! Und jeweils für mehrere Monate.
Welche Auswirkungen hat dies bisher schon auf den Verein gehabt?
1. Die gerade wieder neu aufgebaute Trainingsgruppe kann nicht wirklich das trainieren, wofür sie zum Verein gekommen sind: Kanu-Slalom und Wildwasserabfahrt lernen und auch mal bei Wettkämpfen Erfolge für die Region einfahren. Wie stark die negativen Auswirkungen einer langen Schließzeit sind, mussten wir bereits schmerzlich erfahren. Im Zuge der „großen“ Baumaßnahme am Einlaufbauwerk im Jahre 2012 ist unsere komplette Trainingsgruppe der Kinder und Jugendlichen zerfallen. In dieser Zeit sind wir unter enormem zeitlichen Aufwand der ehrenamtlichen Trainer und einer großen finanziellen Belastung des Vereins zum Training nach Erfurt und Weimar ausgewichen. Ein geregelter Trainingsbetrieb ließ sich jedoch nicht dauerhaft aufrecht erhalten. Die Trainingsgruppe zerbrach und mit Lea Sophie Barth hatten wir Ende des Jahres noch genau eine Sportlerin! Mit ihrer Liebe zum Kanusport hat sie diese „Trockenzeit“ unter erheblichen persönlichen Einschränkungen überstanden und für den Verein und für Sömmerda enorme Erfolge erzielt. Wenn man sich nun diese Erfolge in den letzten Jahren ansieht, erahnt man, welches Potenzial uns damals verloren ging.
2. Nicht zu unterschätzen sind auch die Auswirkungen auf unsere älteren Mitglieder. Zum einen können diese die Boote nicht mehr über weite Strecken alleine tragen, zum anderen ist der Steg oberhalb des Wehres letztes Jahr von Rowdies zerstört worden. Diese Generation ist auf den Steg vor dem Bootsschuppen und auf die Rampe am Kanaleinlauf angewiesen.
3. Es fehlen dem Verein für seine Vereinsarbeit die Einnahmen aus den Wettkämpfen, aus den Übernachtungen der Vereine vor den Wettkämpfen und auch die vieler Kanuten, die den Kanal als einzige Trainingsmöglichkeit auf Wildwasser nutzen, die es nach dem teuren Wildwasserpark in Markkleeberg in der gesamten mittel- und norddeutschen Region gibt. Die finanziellen Mittel des Vereins schwinden jedoch mit jedem Tag, an dem der Kanal nicht für Trainingsmöglichkeiten nutzbar ist, da die durch Übernachtungen auf dem Vereinsgelände erzielten Einnahmen in die Vereinsarbeit und die Erhaltung des Geländes gesteckt werden. Als gemeinnütziger Verein ist die Bildung von Rücklagen nur bedingt möglich, sodass eine Kompensation des Einnahmenausfalls fast unmöglich ist.
(Weitere Auswirkungen der vielen Baumaßnahmen waren: Tote Fische, Muscheln und Krebse.)
Eine Einsicht in die Not der Vereinsarbeit in Form von Lippenbekenntnisse war reichlich vorhanden. Hilfestellungen hingegen gab es selten. Mit viel Engagement ist es uns trotzdem gelungen, bis 2018 wieder eine stabile Kinder- und Jugendgruppe aufzubauen. Dafür haben wir 5 Jahre benötigt, deren Erfolge nun wieder zunichte gemacht werden durch die aktuelle Entscheidung.
Grundsätzlich stehen wir dem Einbau einer effizienten Wasserkraftanlage nicht im Weg. Als grundlastfähige, dezentrale Anlage zur Energiegewinnung in einem sowieso verbauten Flussabschnitt wird den Klein- und Kleinstwasserkraftanlagen in den kommenden Jahren eine immer größere Bedeutung zukommen. Aufwand, Nutzen und vor allem die Auswirkung auf die Gesellschaft und Anrainer müssen hier jedoch gegeneinander abgewogen werden.
Die Lösung der Problematik wäre denkbar einfach. Um die Bauarbeiten an der Dreyse-Mühle zu ermöglichen, ist lediglich ein Damm im Mühlgraben hinter dem Kanaleinlauf aufzuschütten, welcher das Eindringen von Wasser in die Baustelle verhindert. So wurde es dem Verein von höchster Sömmerdaer Stelle mehrfach zugesagt [(Ehren-)Wort]. Der Damm sollte spätestens im Februar gebaut werden. Im Vertrauen hierauf wurde die Vereinsarbeit ausgerichtet, der Trainingsbetrieb geplant und der Kanal zur Nutzung freigegeben. Nach mehrfachen Nachfragen und der immer wieder gegebenen Zusicherung, dass der Damm gebaut werde, kam nun am Dienstag, den 12. März die mündliche Absage für den Dammbau! Angeblich aus Kostengründen. Dass dies im September letzten Jahres nicht bekannt gewesen sein soll, ist bei einer kompetenten, vorausschauend planenden Verwaltung schwer vorstellbar. Ebenfalls ist es mehr als verwunderlich, dass anscheinend nicht einmal eine Ausschreibung für die Arbeiten erfolgt ist! Hat man die ehrenamtlichen Trainer, Gruppenleiter und Vereinsvorstände glatt belogen?
Diese Schilderung der neuesten Entwicklungen lässt vermutlich alle Ehrenamtlichen aufhorchen, denn so wird mühevoller Einsatz und echtes Engagement mit einer einzigen Entscheidung weggewischt und als bedeutungslos deklariert.
Die derzeitig bekannte Faktenlage lässt nur einen Schluss zu. Bereits im letzten Jahr muss auch den Verantwortlichen der Stadt klar gewesen sein, dass der Damm nicht gebaut wird und dass die mündliche Zusage gegenüber dem Kanu-Club nur zum Schein erfolgte. Warum? Vielleicht weil für den Thüringentag das Gelände des Kanu-Club und die personellen Ressourcen für das Rahmenprogramm genutzt werden sollten und man eine Absage befürchtete? Genau darüber wird der Kanu-Club nunmehr aber diskutieren müssen, wenn es darum geht, ob der Verein seine Energie in den Erhalt seiner satzungsgemäßen und existentiellen Aufgaben steckt und versucht, die Trainingsgruppen zu halten, oder ob noch irgendwelche darüber hinausgehende Potentiale vorhanden sind. Derzeit ist der Wille der Mitglieder des Vereins zum Engagement außerhalb des Vereins jedenfalls genauso trockengelegt, wie die Trainingsstrecke.